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Humpen, spätes 17. Jh. (Oberhausmuseum Passau).
Copyright: Oberhausmuseum Passau

Aufstieg und Fall des Georg Ludwig von Sinzendorf

„Barock“ hat sich heute sprachlich als Epochenbegriff eingebürgert für die Zeit von ca. 1600 bis ca. Mitte des 18. Jahrhunderts. Mit angestoßen hat diese Entwicklung der Kunsthistoriker Jacob Burckhardt (1818-1897), der das Wort retrospektiv auf die Ausprägung eines Kunststils übertrug. Als Burckhardt den Begriff in seine Überlegungen aufnahm, verwendete er ihn vorerst so, dass die ursprüngliche Bedeutung des (wohl aus Portugal stammenden) Wortes mitschwang: Etwas schief, bizarr, seltsam – sogar „(be)trügerisch“ soll teils mitgeklungen haben.

 

Ein barockes Leben begegnet uns im Inn-Salzach-Donauraum mit dem Wiener Georg Ludwig Graf von Sinzendorf (1616-1680). Er machte am Hof Kaiser Ferdinand III. eine Karriere vom Kammerherrn zum Schatzmeister und Hofkammerpräsidenten. In dieser Funktion hatte der keineswegs reiche Graf das österreichische Finanzwesen unter sich. Und hier geschah es: Er „besetzte nämlich alle Stellen mit seinen Creaturen, verbuchte die eingelaufenen Gelder nur zum Theil und wußte durch Bestechungen jede Revision zu vereiteln.“ (35 Biographisches Lexikon des Kaisertums Österreich - Fürnfunddreißigster Teil - Sincacher – Sonnenthal, 1877). Damit nicht genug – eine Untersuchungs-Commission brachte den Grafen 1680 vor Gericht, wobei sich die Anklage „auf folgende Puncte (bezog): Mißbrauch der Amtsgewalt, Meineid, Diebstahl, Unterschleif und Erpressung“.

 

Verhaftet worden war der Graf „inmitten eines Festes, das er mit den für die Armee des Prinzen Eugen von Savoyen angewiesenen und unterschlagenen Summen in feenhafter Weise in Scene gesetzt (hatte)“. Sinzendorf musste nun „1,970.000 Gulden restituiren“ und wurde aller Ämter enthoben; wenig später starb er mit 64 Jahren. Seine zweite Frau, Dorothea Elisabeth Prinzessin von Holstein - „eine prunksüchtige, verschwenderische Dame, die durch ihre Verschwendung nicht unwesentlichen Antheil an des Grafen Verbrechen haben mochte“ - erhielt „durch die übergroße Gnade des Kaisers“ für sich und ihre Kinder einige Güter zurück.

 

Nicht behalten durfte die Witwe die Grafschaft Neuburg am Inn. Diese wurde staatlicherseits 1698 an einen schottischen Grafen verkauft. Sinzendorf hatte die Grafschaft 1654 erworben und das Schloss Neuburg am Inn im (italienischen) Stil der Zeit umgestaltet. Er hatte außerdem Pläne, die man heute wohl „regionaler Entwicklung“ zuordnen würde: Münzen prägen, Gold- und Silberdrähte fabrizieren, Rohstoffe gewinnen und verarbeiten (Salpeter; Kalk- und Ziegelbrennerei), Tabakanbau und Brauerei fördern. In den 1670er Jahren entwickelte er zur Ansiedlung von Arbeitskräften bei Pferdestallungen („Tummelstadl“) in Schlossnähe die Siedlung Dommelstadl, heute ein Ortsteil der Gemeinde Neuburg am Inn.